Die neuere Entwicklung einiger geodätischer Instrumente

Artikel, geschrieben von H.Wild, gedruckt in der Festschrift „Vermessungs-Grundbuch-Karte" anlässlich der Schweizerischen Landesausstellung, Zürich 1939.

Die Modernisierung der geodätischen Instrumente war seiner Zeit hinter der der anderen lnstrumentengattungen zurückgeblieben. Bereits In den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden z. B. sehr moderne, von den heutigen nur wenig abweichende Formen von Feldstechern, und wenig später ebenfalls Entfernungsmesser auf ganz neuer Grundlage gebaut. Die Konstrukteure der geodätischen Instrumente nahmen von dieser Modernisierung keinerlei Notiz; ihre Instrumente behielten die alten, z. T. sogar sehr alten, Formen bei und der Praktiker musste sich selber helfen, so gut es ging. Noch im Jahr 1907 gab es z. B. kein einziges Vermessungsinstrument, bei dem die feinen Mikrometerschrauben gegen Staub und Feuchtigkeit geschützt waren, kein einziges Fernrohr hatte eine genügende Abdichtung beim "Okularauszug", zur Okularverstellung meistens nicht einmal ein Gewinde, geschweige denn eine Dioptrienteilung. Die feinen Teilungen der Silberkreise und die Achszapfen der Horizontalachse lagen meistens offen; die Achsensysteme waren mit etlichen Schrauben "regulierbar" und die sog. Zentralklemmen traten erst vereinzelt auf. Für die feinen Fadenkreuze wurden Spinnfaden verwendet, die z. T. von extra gepflegten Spinnen gewonnen wurden. Man baute besondere Apparate zum Aufspannen der Faden, vergaß aber, dem Benützer solche Apparate mitzugeben. Die Herstellung erfolgte durchwegs In kleinen Betrieben.

Mit einem derartigen Instrument habe ich am Anfang dieses Jahrhunderts die Triangulation des Unterwallis gemacht. Am 1. September 1902 war ich bei wunderbarem Wetter frühzeitig auf dem Gipfel der Dent du Midi und hoffte, bis Mittag die Messungen zu erledigen. Statt dessen musste ich das Instrument etwa 2-3 Stunden "regulieren", und als es so weit war, kamen die ersten Anzeichen eines heraufziehenden Gewitters. Am Nachmittag deponierten wir das Instrument auf dem Gipfel an geschützter Stelle, deckten es mit Steinplatten sorgfältig zu und traten den beschleunigten Abstieg an. (Heute würde wohl niemand mehr sein leichtes Instrument oben lassen.)

Da beträchtliche Mengen von Neuschnee fielen, so war die Fortsetzung der Arbeit erst nach einigen Tagen möglich. Wenn auch die Zwischenzeit mit Signalstellen etc. ausgefüllt werden konnte, so war sie doch z. T. verloren. Mit einem modernen Instrument, das sofort messbereit gewesen wäre, hätte ich die Messung in höchstens zwei Stunden erledigen können. Dass ich damals auf mein Instrument, das übrigens das beste auf dem topographischen Büro war, nicht gerade gut zu sprechen war, ist selbstverständlich. Überlegungen verschiedenster Art wurden angestellt; da aber von Seiten der Konstruktionsfirmen keinerlei Verständnis für Verbesserung der Instrumente vorhanden war, so verliefen zunächst alle Versuche in dieser Richtung resultatlos. Die erste nennenswerte Verbesserung trat ein, als das Repetitionssystem aufgegeben wurde. Damit fielen wenigstens die zeitraubenden "Regulierungen" des doppelten Achsensystems weg und die Genauigkeit der Messungen wurde grösser. Hierbei zeigte sich nun sofort ein bedeutsamer Übelstand darin, dass beim Ablesen des Instrumentes um dasselbe herumgetreten werden musste und dies war die Veranlassung, dass ich mich zum ersten Male (etwa 1905) ernsthaft mit der Konstruktion eines neuen Theodoliten befasste. Ich trat mit einer Berliner Firma, die dazumal die genauesten Kreisteilungen machen konnte (Anm. das kann nur Carl Bamberg in Friedenau gewesen sein), in Verbindung und das Resultat war ein Instrument, bei dem man allerdings nicht mehr herumgehen musste, das aber aus andern Gründen nicht gebrauchsfähig war, weil diese Berliner Firma für heutige Begriffe keine Ahnung hatte, wie man eine etwas kompliziertere optische Anordnung richtig und dauerhaft montieren muss. Dieser Fehlschlag verzögerte die Modernisierung um mehrere Jahre und erst 1908, als mir die grossen Mittel der Firma Zeiss in Jena zur Verfügung standen, konnte die eigentliche Modernisierung beginnen. Als ich nach Jena kam, existierte dort an geodätischen Instrumenten- Konstruktionen nichts, es lagen aber die Erfahrungen vor für die genaue Herstellung der optischen und mechanischen Teile, sowie für deren Montage. Die Mikroskopabteilung machte sehr gute Schrauben, Führungen und Zahntriebe; in der Entfernungsmesserabteilung mussten optische und mechanische Teile in grosser Zahl vollkommen sicher gelagert werden. Es waren mehr oder weniger geübte Konstrukteure vorhanden, die aber von geodätischen Instrumenten gar nichts wussten. Mir persönlich waren nur die Handhabung und die Schwierigkeiten beim Feldgebrauch der Instrumente vertraut; es wurde mir daher der Chefkonstrukteur für die astronomischen Instrumente zur Verfügung gestellt und mit diesem zusammen entstand das allererste Nivellierinstrument. Bei diesem ersten Instrument war der Vorgang ungefähr folgender: Ich äusserte, dass man für die Achse eigentlich einen Zylinder haben sollte, der Chefkonstrukteur meinte, dass das sicher möglich sei und dies führte zum Grenzfall des nicht regulierbedürftigen Achsensystems, zur zylindrischen Achse aus Material von gleichem Ausdehnungskoeffizienten. Hiermit war die Achsenfrage für viele Jahre erledigt, da durch fortwährende Verbesserung der Herstellungsweise tatsächlich eine schöne Genauigkeit erzielt wurde. Durch meine Überlegungen entstand dann das biaxiale Fernrohr, bei dem sich die eine Seite wie bisher im Hauptrohr bewegte. Da die Abdichtung Schwierigkeiten machte und gleichzeitig der Wunsch nach möglichster Verkürzung des Fernrohres vorhanden war, so entstand die Anordnung mit innerer Fokussierlinse, die zugleich eine bessere Haltbarkeit der Justierung ermöglichte. Nun fehlte noch eine genauere und bequemere Beobachtungsmöglichkeit für die Libelle, die zugleich von beiden Seiten brauchbar war. Für diese gewissermassen verfeinerten Wünsche nützte mir mein astronomischer Konstrukteur nicht mehr viel, da ihm diese Instrumente zu fern lagen. Es blieb daher nichts anderes übrig, als selber Chefkonstrukteur zu werden und ein eigenes Konstruktionsbüro einzurichten. Es entstand dann das neue Prismensystem für die Koinzidenzeinstellung der Libelle, die Anordnung der Reversionslibelle zusammen mit dem biaxialen Fernrohr, die Änderung des Unterteils etc. mit geschützten Schrauben. Diese Instrumente wurden zunächst mit ungenügenden Stativen geliefert; es entstand dann bald das neue Stativ mit viel grösserer Festigkeit und geringerem Gewicht, das sich bis heute erhalten hat. Dieses Stativ war dazumal (Anfang 1909) das erste, bei dem man bei der Aufstellung keine Klemmschrauben mehr anziehen musste. In der Frage der Behälter wurde schon damals ein erster Versuch mit Metall unternommen, bald aber wieder aufgegeben. Es war nun ein kleines Nivellierinstrument mit relativ grosser Genauigkeit vorhanden, das nicht wesentlich mehr kostete, viel geringeres Gewicht aufwies und ein rascheres Arbeiten ermöglichte. Die besten Abnehmer waren zu jener Zeit neben dem Inland Argentinien und Russland. (In Russland wurde damals die mittlere Lebensdauer eines Instrumentes alter Ausführung auf drei Jahre geschätzt.) Nachdem sich die Einführung dieses ersten modernisierten Instrumentes sehr gut anliess, wurden in kurzer Folge auch die grösseren Typen gebaut. Seinerzeit (etwa 1900) hatte ich zwischen Blei und Neuenburg das Präzisionsnivellement durchgeführt, nachdem ich vom ausgezeichneten Dr. Hilfiker instruiert worden war. (Durch verschiedene Nivellements auf dem Gurten bei Bern.) Für dieses Nivellement war mir ein Instrument von Seibt-Breithaupt mit Kompensationslatte zur Verfügung gestellt worden. Dieses Instrument war zu jener Zeit das allerneueste; ich musste es ausprobieren. Diese 30 Kilometer, die ungefähr einen Monat dauerten, haben mir den vollen Genuss der damaligen Instrumente vermittelt: 600 mal Stativschrauben anziehen, 2400 mal ablesen mit einem schlechten Fernrohr, 600 mal das schwere Instrument weitertragen etc.

Als ich 1911 an die Konstruktion des N.J. III ging, war dieser wunderschöne Frühlingsmonat vor elf Jahren noch nicht vergessen und ich suchte zu allererst eine Einrichtung, um bei einspielender Blase arbeiten zu können. Da ich die genaue Beobachtungseinrichtung für das Einspielen lassen der Blase im Koinzidenzprismensystem bereits hatte, musste die Verschiebung der Ziellinie des Fernrohrs dazukommen. Damit jede Rechnung unterbleiben konnte, musste es eine Parallelverschiebung sein. Es wurde die vor dem Objektiv angeordnete dicke Planparallelplatte eingeführt mit einem Einstellmechanismus, der direkt die Parallelverschiebung in Bruchteilen von Millimetern ablesen liess. Der Horizontalfaden des Fernrohrs wurde durch zwei in Keilform angeordnete Striche ersetzt, damit der 1 mm dicke Lattenstrich auf alle Entfernungen bequem in die Mitte genommen werden konnte. Als Latte kam nur eine Einrichtung in Frage, die vom Holz, das sehr feuchtigkeitsempfindlich ist, unabhängig war. Da man gleichzeitig auch den Temperatureinfluss ausschalten musste, so wurde die Invarbandlatte konstruiert. Dabei mag vielleicht noch interessieren, wie ich zu der sehr gleichmässigen und genauen Teilung kam (ca. + 1/100 mm). Ich nahm ein 3 m langes Stahlband von ganz bestimmter Härte, eine Stanze mit einem Stempel von der Strichform und mit Hilfe eines 1 m langen Glasmaßstabes wurde im Konstruktionsbüro die 3m-Schablone gestanzt, mit deren Hilfe viele Jahre lang die Lattenteilungen gespritzt wurden. Für die Zahlen liess ich Abziehbilder anfertigen. Das erste fertig gewordene Präzisionsnivellierinstrument ging nach dem Fergana-Gebiet in Russisch-Asien, und es stellte sich dabei heraus, dass eine Spedition nur möglich war, wenn das Stativ viel kürzer gehalten wurde. Es entstand also das neue Stativ mit einschiebbaren Beinen. Mit dem neuen Präzisions-Nivellierinstrument (mit Keilstricheinstellung und lnvarbandlatte) ist z. B. der grösste Teil des neuen schweizerischen Landesnivellements ausgeführt worden. Ein Ereignis war damals, als England, das im Anfang ziemlich ablehnend sich verhielt, in kurzer Frist 24 Präzisionsinstrumente kaufte und damit u. a. das neue englische Landesnivellement ausführte. Mit was für Schwierigkeiten man bei dieser Modernisierung zu kämpfen hatte, geht aus folgendem Beispiel hervor. Ein inzwischen verstorbener Professor erklärte bei der ersten Vorführung meinem Vertreter, der große Durchmesser des Objektivs sei für die Genauigkeit der Messungen gefährlich, weil zu viel "Strahlen" aufgenommen würden und dadurch Störungen einträten. Ein intelligenter Assistent sah die Vorteile ein und setzte nach einiger Zeit die Anschaffung durch. Einige Jahre später war mit den neuen Instrumenten unter der Aufsicht dieses Professors das Landesnivellement beendigt worden und der Professor war bekehrt. Inzwischen sind die Objektive noch wesentlich grösser geworden und die "Strahlen" haben sich auch dieser Ordnung gefügt.

Im Jahre 1912 wurde die Konstruktion neuer Theodoliten aufgenommen. Das erste Modell war beeinflusst durch eine grössere Bestellung eines ausländischen Staates, bei der ganz bestimmte Bedingungen gestellt wurden (wie z. B. Repetitionseinrichtung, Schätzmikroskope etc.), sodass dieses Instrument nur zum Teil modernisiert werden konnte. Bis zum Ausbruch des Weltkrieges konnte immerhin das zukünftige Modell soweit festgelegt werden, als dabei die hauptsächlichsten Forderungen erfüllt waren. Der Krieg unterbrach die Entwicklung vollständig, indem bis zum Herbst 1918 keine Zivilinstrumente gemacht werden durften. Ende 1918 nahm ich eine schon aus dem Jahre 1905 stammende, aber als frommer Wunsch begrabene Idee wieder auf, nämlich das Prinzip der Kreisablesung durch Koinzidenz gegenüberliegender Striche. (Verdoppelung des Messintervalls.) Es wurde ein kleiner Theodolit mit Sekundenteilung im Gesichtsfeld geschaffen und dieses Instrument leitete die eigentliche Modernisierung der Theodolitkonstruktion ein. Da die Verhältnisse durch den Krieg unhaltbar geworden waren, kehrte ich im Jahre 1921 nach der Schweiz zurück und es entstand in Heerbrugg im St. Gallischen Rheintal die Werkstätte: "Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik". In ziemlich rascher Folge entstanden hier die zwei Grössen des neuen Theodolitmodells, die den Wettbewerb mit den Erzeugnissen der Weltfirma, bei der ich kurz vorher noch tätig gewesen war, mit Erfolg aufnehmen konnten. Während im Jahre 1908 der Anfang mit einem kleinen Nivellierinstrument gemacht worden war, wurden 1921 zuerst die Theodolite und erst nachher die Nivellierinstrumente erledigt. Dazu kamen verschiedene andere Instrumente und als Hauptkonstruktion ein neuer Autograph für die Auswertung photographischer Präzisions-Aufnahmen. Diese Autographenkonstruktion wurde von mir schon im Jahre 1920 in Angriff genommen und zwar nach einer Konferenz, auf der versucht worden war, die Welt in zwei Interessengebiete für die zwei bestehenden verschiedenen Modelle aufzuteilen. Da die Patente für diese neue Autographenkonstruktion mir gehörten, unterblieb dann die Aufteilung der Welt für die zwei andern Modelle und es wurde nach Bekanntwerden der Patentschrift nur behauptet, dass meine Konstruktion nicht ausführbar sei. Nun ist heute, trotz der behaupteten Nichtausführbarkeit, ein grosser Teil der Schweiz auf diesem Autographen neu kartiert und das Ergebnis erscheint in den neuen Kartenblättern 1 : 50’000, wie auch in den neuen Übersichtsplänen 1 : 10’000 der Grundbuchvermessung. Dieser Autograph hat auch im Ausland beträchtliche Verbreitung gefunden. Für diesen Autographen war eine Entdeckung von ausschlaggebender Bedeutung, die im Folgenden etwas näher beschrieben werden soll. Bis zum Frühjahr 1920 hatte ich mich nie mit dem Gedanken befasst, die Photogrammetrik in meinen Arbeitsbereich zu nehmen, obschon ich schon früher von verschiedenen Seiten dazu aufgefordert worden war. Die Leitung der Firma Zeiss war aber der Meinung, dass dieses Gebiet Ihrem Mitarbeiter Dr. Pulfrich reserviert bleiben müsse. Seit 1919 war ich bei Zeiss nicht mehr im Beamtenverhältnis, hatte aber versprochen, bis zum Frühjahr 1921 als freier Mitarbeiter in Jena zu bleiben. Da dies bekannt war, wurde mir von einem sich zeitweise in Jena aufhaltenden ebenfalls freien Mitarbeiter der Vorschlag gemacht, ein Auswertegerät zu konstruieren, bei dem der Lenker fest mit der Kamera verbunden sein sollte. Diese Idee schien so bestechend, dass ich mich sofort daran machte, ein solches Gerät zu entwerfen. Ich war schon ziemlich mit der Konstruktion vorgeschritten und damit beschäftigt, die Idee im Allgemeinen, d. h. die genaue Funktion des Apparates zu überprüfen. Dabei stellte sich zu meinem nicht geringen Schrecken heraus, dass die Grundidee, d. h. die feste Verbindung von Lenker und Kamera falsch war. Ich hängte meinen Ratgeber mit grosser Enttäuschung ab und war zunächst ratlos. Bei der Überprüfung der Funktionsweise war mir eine steife Postkarte mit einem durch die Mitte gesteckten Bleistift (als optische Achse) dienlich gewesen. Dabei hatte ich in den Karten- resp. Plattenecken Punkte markiert und liess mit Hilfe des Bleistifts (optische Achse) diesen Plattenhalter diejenigen Bewegungen machen, wie sie beim Gerät vorkamen. Ich entdeckte damit eben das Falsche an der Konstruktion und legte die Sache zunächst bei Seite. Nach einigen Tagen nahm ich die Karte mit Bleistift wieder vor und beschloss, zu ermitteln, wo denn eigentlich die Punkte in den Plattenecken sein müssten, wenn die Konstruktion richtig arbeiten würde. In dieser Weise fand ich die grundlegende Idee des neuen Autographen; es stellte sich nämlich heraus, dass die falschen und die richtigen Punkte in den Plattenecken auf einem Kreis lagen, dessen Zentrum in der optischen Achse (Bleistift) lag. Ich hatte damit entdeckt, dass, wenn ich dem Plattenhalter eine zusätzliche Bewegung um die optische Achse gab, die Anordnung richtig funktionierte. Die weitere Behandlung der Idee war dann mathematischer Natur; ich ermittelte die genaue Formel für den Drehwinkel r, und da diese Formel für die Mechanisierung nicht brauchbar war, eine Näherungsformel. Diese Näherungsformel lautet:
tg r = ½Ö sina tga sinb tgb mit einer Annäherung, die über die praktischen Bedürfnisse hinausgeht. Nach dieser Formel ist dann die zusätzliche Bewegung des Plattenhalters eingerichtet worden und damit war ein Autograph auf ganz neuer Grundlage gefunden, dessen Konstruktion ziemlich klein gehalten werden konnte. Der Vorwurf der mechanischen Nichtausführbarkeit wurde von interessierter Seite erhoben, offenbar weil dieser Kritiker es nicht fertig gebracht hätte, einen diesbezüglichen Mechanismus anzugeben. Die Konstruktion dieser Einrichtung mit Genauigkeitsrechnung hat 14 Tage gedauert und zwar hauptsächlich deswegen, weil beim Apparat keine der in der Formel enthaltenen trig. Funktionen rein zur Verfügung stand.

Das Konstruktionsgebiet der Photogrammetrie erforderte natürlich auch den Bau von Aufnahmegeräten, Phototheodoliten für die terrestrischen Aufnahmen und Fliegerkammern für die Vermessung vom Flugzeug aus. Die ersten Phototheodoliten wurden mit Tessaren 1:6.3 ; f=150 mm ausgerüstet, weil ich damals noch keine eigenen Objektive zur Verfügung hatte. Da die Bildqualität gegen den Rand der Platte bei diesen Tessaren ungenügend war, musste die Neurechnung von Spezialobjektiven in Angriff genommen werden. Es wurden zwei Objektive gerechnet 1:10 für die Phototheodoliten und 1:5 für die Fliegerkammern mit einer Brennweite von 165 mm und 240 mm. Diese Objektive ergaben auch für die äussersten Bildteile eine für die Photogrammetrie ausreichende Schärfe (ein strichförmiges Objekt von drei Sekunden Dicke, das heisst ein dünner weisser Fensterrahmen auf zwei Kilometer Entfernung wurde scharf abgebildet). Mit diesen Konstruktionen war die Konkurrenzfähigkeit der neuen schweizerischen Industrie bewiesen.

Da das bei diesen Autographen verwendete sogenannte Koppe'sche Prinzip gewisse Mängel aufweist, habe ich nachher noch eine Konstruktion angegeben, die das Koppe’che Prinzip nicht nötig hat. Die diesbezüglichen Patente habe ich seinerzeit der Firma Wild A.-G. in Heerbrugg verkauft, die diesen Autographen anstelle meines früheren fabriziert; die Konstruktion selber ist nicht von mir.

Beim sogenannten Koppe'schen System werden bekanntlich im Auswertegerät die gleichen oder doch sehr ähnlichen Objektive verwendet wie bei der Aufnahmekamera. (Zur Unschädlichmachung einer allfälligen Verzeichnung.) Dieses ausgezeichnete Prinzip, das beim Theodoliten etwa mit der Elimination der Achsenfehler durch Messung in der zweiten Lage verglichen werden könnte, hat aber einen Haken, der gar nicht in ihm selber liegt, sondern durch den gegenwärtigen Stand der Technik bestimmt wird. Wir haben nämlich bis heute noch kein Objektiv, dessen astigmatische Korrektion eine Bildfeldebnung auf die ganze Ausdehnung des Bildes aufweist. Bei den heute In Betracht fallenden Objektiven weichen im Bereich von 2/3 bis 3/4 der maximalen Bildgrösse das eine oder manchmal auch beide der astigmatischen Bilder von der Bildebene ab und zwar gewöhnlich in Beträgen, die je nach Brennweite und Typus etwa zwischen 1-2,5mm liegen. Bei im übrigen guter Korrektion des Objektives erhält man auf der Platte trotzdem ein genügend scharfes Bild, dem man diesen Fehler kaum anmerkt. Geht man nun mit diesem ebenen (durch die Plattenebene bestimmt) Bild in das Auswertegerät und betrachtet mit dem gleichen Objektiv dieses geebnete Bild, so zeigt sich der umgekehrte Astigmatismus in voller Grösse. Dies hat die Wirkung der Parallaxe, und da gerade der 2/3 bis 3/4 Bereich besonders für Passpunkte wichtig ist, tritt hier eine Punktunsicherheit auf, die ich s. Z. in Hinsicht auf den Folgebildanschluss als bedenklich empfand. Dass die Beseitigung des Verzeichnungsfehlers nicht zu den schwierigen Aufgaben gehört, habe ich schon früher dargelegt. Erst wenn Objektive mit vollständig ebenem Bildfeld vorliegen, ist gegen das Koppe'sche System nichts mehr einzuwenden.

Über eine allfällige Aehnlichkeit des von mir entworfenen Autographen mit dem von Santoni, informiert man sich am besten durch Vergleichen der entsprechenden beiden deutschen Patentschriften, wobei ersichtlich wird, dass die Ansprüche von Santoni ganz anders gerichtet sind, als meine Patentansprüche, und nicht etwa das eigentliche Prinzip dieser Autographenkonstruktion an sich betreffen. Dies war schon viel früher nicht mehr patentfähig, weil es bekannt war.

Nachdem ich mich vor einigen Jahren als freier, unabhängiger Konstrukteur hier in Baden niedergelassen habe, führe ich die Konstruktion neuer Instrumente weiter und es ist im Folgenden einiges zu sagen über die neuesten Bestrebungen auf dem Gebiete der Modernisierung. Modernisiert wären zwar die Instrumente heute zur Genüge und ein beträchtlicher Teil des Erreichten ist heute Allgemeingut geworden. Modernisiert sind vielerorts auch die Begriffe über geistiges Eigentum. Früher wurde eine Konstruktion, wenn sie auch von einem Konkurrenten herrührte, noch Jahrzehnte lang mit dem Namen des geistigen Urhebers bezeichnet, heute ist im Allgemeinen nicht mehr viel Verständnis für solche Feinheiten vorhanden.

Ein Konstrukteur, der etwas auf sich hält, wird nie zum zweiten Mal das Gleiche machen. Der grösste Anreiz und zugleich die grösste Förderung auf dem Gebiete der Konstruktion ist die Konkurrenz von sich selber.

Die neuesten Theodolite (Diese Theodolite werden von der Firma Kern & Cie. in Aarau in Lizenz gebaut und sind auf der Landesausstellung zu besichtigen.) erscheinen in fünf Genauigkeitsstufen, sie umfassen das Gebiet vom einfachen leichten Bau- und Reiseinstrument bis zum feinen Triangulationstheodoliten mit 1/2 Sekunden direkter Angabe der Messtrommel. Der mittlere Ablesefehler bewegt sich zwischen 30 Sekunden und 1/10 Sekunden, ungefähr in den Stufen 30", 3", 1", 1/3" und 1/10". Allen gemeinsam ist das neue Vertikalachsensystem, das die endgültige Aufgabe der eigentlichen Achse bedeutet. Während man auch bei der besten zylindrischen Achse bei der zur Verfügung stehenden Achslänge infolge der zwischen Achse und Büchse notwendigen Ölschicht nicht unter eine effektive Leistung von ca. drei Sekunden kommen kann, wenn sich die Achse noch relativ leicht drehen soll, so ist beim neuen Triangulationstheodoliten eine dreifach grössere Präzision erreicht. Es liegt hier ein Achsensystem vor, das die Ein-Sekundenleistung erreicht. Zwei mit aussergewöhnlicher Genauigkeit hergestellte Planflächen zusammen mit genauen Kugeln und richtigem Kugelhalter ergeben ein Präzisions- Kugellager, das jeder andern Achsenform überlegen ist. Wenn dann noch für eine richtige klebefreie Zentrierung gesorgt wird, so erhält man am Horizontalmikrometer einen vollständig spielfreien Gang. Da der tote Gang vollkommen beseitigt ist, so folgt das feine Strichkreuz der allergeringsten Bewegung der Mikrometerschraube augenblicklich. Zudem ist diese Anordnung sehr unempfindlich in bezug auf Schmierung und bei richtiger Ausführung auch robuster, als die bisherigen Systeme mit der Wespentaille. Ich habe zwar schon früher an Messinstrumenten infolge Platzmangel vereinzelt Kugellager angewendet, aber da dieselben nicht zur Steigerung der Genauigkeit bestimmt waren, wurden sie nicht mit der hier beobachteten Sorgfalt ausgeführt und sie geben daher keine Anhaltspunkte für die Leistungsfähigkeit des Systems. Bei den beiden kleineren Ausführungsformen ist das Achssystem ähnlich, aber naturgemäss kleiner.

Die bisher üblichen Dreifuss-Schrauben, die eine Neigung des Instrumentes von ca. ± 5-6° ergaben, sind verschwunden. Da die neuen Stative mit einer sogenannten Schnell- oder Grobhorizontierung versehen sind, Ist für die Vorstellung des Instrumentes, d. h. für die Feinhorizontierung nur mehr eine einzige Umdrehung der drei "Schrauben" nötig. Diese "Schrauben" sind keine eigentlichen Schrauben mehr, sondern Knöpfe mit horizontaler Achse und Spiralnut. Der Hauptvorteil dieser Anordnung besteht neben der grössern Kompendiösität (sie vergrössern das Instrument für die Verpackung nicht mehr) im Wegfall des seitlichen Spiels und des toten Ganges. Zusammen mit der Grobhorizontierung des Stativkopfes ergibt die neue Einrichtung eine schnellere Messbereitschaft.

Bei jedem Theodoliten spielt selbstverständlich die Art der Kreisablesung eine grosse Rolle. Dass dabei bei jedem Instrument in beiden Fernrohrlagen vom Standpunkt aus abgelesen werden kann (ohne Herumdrehen), ist seit 1914 erledigt. In bezug auf die Feinheit der Ablesung sind zwei stark verschiedene Stufen zu unterscheiden. Die eine Stufe erfordert nur geringe Genauigkeit, soll aber dafür grösste Schnelligkeit und grösste Bequemlichkeit aufweisen, d. h. die Ablesung muss "mit einem Blick" möglich sein. Dass dabei trotzdem zwei gegenüberliegende Kreisstellen in der einen Zahl zum Ausdruck kommen, ist heute auch selbstverständlich geworden.

Die andere Stufe soll für die gegebene Instrumentengrösse das in einfacher Weise zu erzielende Maximum an Genauigkeit ergeben, auch wenn vor der Ablesung ein Knopf gedreht werden muss, d. h. wenn auch die Ablesung etwas (aber nicht allzuviel) länger dauert.

Für die erste Stufe habe ich die Koinzidenzablesung mit stark vereinfachtem Ablesebild, d. h. mit gröberer zweiter Teilung und ohne zweite Zahlenreihe angewendet, was eine wesentlich grössere Übersichtlichkeit ergibt. Beim kleinsten Instrument sind auf diese Weise halbe oder ganze Minuten (sex. oder cent) abzulesen und beim mittleren Instrument 1/5 oder 1/10 Minuten sex. oder 1/2 Minuten cent.

Sowohl das kleinste, wie auch das mittlere Instrument werden bei im übrigen gleicher Ausführung für die zweite Stufe mit anderer Kreisteilung versehen und durch Zugabe eines Mikrometers als Sekundentheodolite ausgebildet. Für diese Ablesungsart wird nicht mehr das Prinzip der Koinzidenz angewendet, da dasselbe nach meinen neuesten Untersuchungen nicht das Maximum der Ablesegenauigkeit ergibt. Es ist im Gesichtsfeld des Mikroskopes statt einer einfachen Strichteilung eine Doppelteilung sichtbar; dabei gehört aber jeweilen der eine Strich der gegenüberliegenden Kreisstelle an. Diese Doppelteilung wird mit Mikrometer durch Mittelfeldeinstellung abgelesen und die ermittelte Zahl stellt das Mittel der beiden nun 180° auseinander liegenden Kreisstellen dar. Wenn bei der Koinzidenzeinstellung ein Strich eine lokale kleine Beschädigung an kritischer Stelle aufweist, so kann die Ablesung um mehr als den gewöhnlichen Fehler gefälscht werden, bei der Mittelfeldeinstellung wird aber der ganze Strich benutzt und kleine Beschädigungen kommen nur mit einem Bruchteil zur Wirkung.

Das kleinste Instrument hat Kreise von 50 mm Teilungsdurchmesser und eine Mikroskopvergrösserung von ca. 20. Das erste Probeinstrument mit 400 g Teilung, das vor mir steht, ist in 1/5 g geteilt; die Sekundentrommel zeigt 10 Centesimalsekunden in der Grösse von ca. 1 mm, sodass einzelne Sekunden geschätzt werden können. Der mittlere Ablesefehler ist etwa 2,7 Centesimalsekunden, d.h. weniger als l" alter Teilung. Das Instrument weist ein Gewicht von 2 kg auf und ist damit wohl der kleinste Einsekundentheodolit, der gegenwärtig existiert. Wenn man einen bestimmten Instrumenttypus in einer Grösse konstruiert hat, so ist wohl eine analoge grössere Ausführung ohne weiteres möglich. Bei der Verkleinerung zeigt sich aber, dass gewisse Konstruktionsteile nicht proportional verkleinert werden können, wie z. B. Schrauben und namentlich deren Bedienungsknöpfe. Es dürfen auch die Zwischenräume zwischen den Schraubenknöpfen ein bestimmtes Mass nicht unterschreiten. Dadurch entstehen bei der Verkleinerung Schwierigkeiten, die letzten Endes die kleinste, überhaupt mögliche Grösse bestimmen. Meistens ist es schon bei mässiger Verkleinerung nicht mehr möglich, genau die gleiche Anordnung beizubehalten, wie beim grösseren Ausgangstypus. Bei diesem kleinsten Theodoliten hat daher nicht die allgemeine Konstruktion die Hauptarbeit verursacht, sondern die störungsfreie Anordnung der verschiedenen Bedienungsorgane. Dieses Instrument hat ziemlich die gleiche Genauigkeit, wie der eingangs erwähnte 21 cm Mikroskoptheodolit von der Dent du Midi (aus dem Jahre 1902), wiegt aber zehnmal weniger.

Das mittlere Instrument ist mit Kreisen von 75 mm versehen und dessen Ablesefehler beträgt bei gleicher, aber feinerer Einrichtung des Mikrometers und stärkerer Mikroskopvergrösserung etwa dreimal weniger, also ca. 1 Centesimalsekunde oder 0,3" sex.

Das grösste Instrument hat einen Horizontalkreis von netto 100 mm und einen Höhenkreis von 75 mm. Die Ablesegenauigkeit wird etwa 1/10 Sekunden (sex.) betragen. Über die besondere Einrichtung, die zur Erreichung dieser bis jetzt nicht erzielten Genauigkeit nötig ist, kann ich im Augenblick noch nichts näheres mitteilen, da die Konstruktion gerade im Gang Ist. Auf der Landesausstellung wird aber voraussichtlich ein derartiges Instrument zu sehen sein.

Es bleibt noch übrig, einiges über die Fernrohre zu sagen. Das erste Nivellierinstrument aus dem Jahre 1908 wies eine Objektivöffnung von 27 mm und eine Vergrösserung von 20 auf. Das Instrument aus dem Jahre 1922, das für die gleiche Genauigkeitsstufe bestimmt war, hatte bereits eine Öffnung von 40 mm bei 20facher Vergrösserung. Die Länge des 40 mm Fernrohrs war etwas geringer als diejenige des älteren 27 mm. Zum Vergleich mag angeführt werden, dass das neue Fernrohr von gleicher Länge (vom mittleren Theodoliten) eine freie Öffnung von 45 mm bei 28facher Vergrösserung aufweist. Damit ist man bei den gewöhnlichen Fernrohren an der Grenze angelangt, indem bei stärkerer, relativer Verkürzung die Farbenkorrektion nicht mehr in genügender Weise bewerkstelligt werden kann.

Vor einiger Zeit habe ich daher nach einem andern Fernrohrtypus gesucht, weil ich für den grösseren Theodoliten ein Fernrohr haben musste, das zu den andern Leistungssteigerungen passte. Dieser Typus wurde gefunden in einer Kombination von Linsen mit Hohlspiegeln. Das neue Fernrohr hat eine freie Öffnung von 75 mm und eine Durchschlagshöhe von nur 75 mm, sodass das grössere Instrument eine geringere Höhe aufweist, als das mittlere mit 45 mm Objektiv. Ein Universalinstrument für astronomische Zwecke, das ich gegenwärtig in Konstruktion habe, wird bei 100 mm- Öffnung und ca. 100 mm Durchschlagshöhe eine kleinere Achsenhöhe (d. h. vom untern Rand des Fusses bis zur Horizontalachse gemessen) haben, als der kleine Theodolit von 1922 mit nur 40 mm Objektivöffnung. Das Gewicht des fertig verpackten Instrumentes wird voraussichtlich geringer sein, als beim bisherigen 21 cm Universal das Gewicht des Unterteilkastens ohne Instrument. Es kann demnach von einem Mann getragen werden. Damit ist dann auch für den neuen Typus wieder die Grenze erreicht in bezug auf Verkürzung. Die Korrektion dieses neuen Fernrohres ist etwa zehnmal feiner als diejenige der kleineren Linsenfernrohre, d. h. die bei der Berechnung übrigbleibenden Restfehler, die nicht mehr beseitigt werden können, betragen nur noch so viele Hundertstel- Millimeter, wie bei den andern Zehntel-Millimeter. Besonders bemerkenswert ist die vollständige Beseitigung des sekundären Spektrums. Dass dabei gewissermassen als Nebenprodukt auch noch das aufrechte Bild abfiel und zwar ohne Extrazugabe von weiteren optischen Mitteln ist vielleicht besonders für die Amerikaner interessant, die bekanntlich von jeher an ihren Instrumenten Fernrohre mit aufrechtem Bild verwendeten, obschon dadurch die Fernrohrlänge um etwa einen Drittel grösser wurde.

Die hier skizzierten neuen Instrumenten-Konstruktionen sollen nicht dazu führen, dass die vorgeschriebenen Toleranzen, d. h. die noch zulässigen Fehler der Mess-Endresultate verkleinert werden, denn die diesbezüglichen Ansprüche sind heute schon zum Teil übertrieben. Sie sollen vielmehr ermöglichen, diese Endresultate in einfacherer Weise, in kürzerer Zeit und mit geringerer Anstrengung zu erhalten. Es soll auch nicht mehr nötig sein, dass der Benützer eines Instrumentes vor der Messung dasselbe justieren muss, denn es sind seit langem Messmethoden bekannt, die in einfachster Weise eine Elimination der möglichen Instrumentenfehler gestatten.

Da die Instrumente nun genügend modernisiert sind, wäre es endlich an der Zeit, dass auch die Lehr- und Handbücher der Geodäsie etc. (im allgemeinsten Sinn) auf denjenigen Punkt gebracht werden, der dem heutigen Stande der Technik entspricht. Ich möchte in dieser Hinsicht nur auf ein einziges, aber umso abschreckenderes Beispiel aufmerksam machen. Im Jahre 1878 hat der damalige Chef der preussischen Landesaufnahme, General Schreiber, für die Winkelmessungen der Triangulationen 1. Ordnung Vorschriften aufgestellt, die auch heute noch zum Teil befolgt werden. Diese Vorschriften liefen darauf hinaus, dass auf jeder Station 1. Ordnung alle zwischen den vorhandenen Richtungen möglichen Winkel in bestimmten Kreisstellungen gemessen werden mussten. Es war die berühmte "Winkelmessung in allen Kombinationen" zur Reduktion der Teilungsfehler. Diese Methode habe ich s. Zt. vor dem Beginn der grösseren Messungen im Waadtland näher untersucht (etwa 1904) und dabei gefunden, dass bei einer gewissen Anzahl von Richtungen und bestimmten, häufig vorkommenden Winkelgrössen keine Elimination der Teilungsfehler eintritt, die dem grossen Messumfang entspricht. Diese Winkelmessung ist dann in der Folge bei der schweizerischen Triangulation nicht angewendet worden. Dabei erfordert diese Methode einen derartigen Zeitaufwand, dass eine Triangulation auf diese Art etwa doppelt so viel kostet, als wenn in zweckmässiger Weise vorgegangen wird.

Dass diese Methode volle 60 Jahre lang angewendet und damit eine Zeitverschwendung grossen Stils getrieben wurde, fällt in erster Linie zu Lasten der sogenannten grossen Literatur und der dadurch beeinflussten Instruktion der jungen Geodäten. Die altmodische und zum Teil ungenügende Instrumentenkunde, die durch diese Literatur vermittelt wird, trägt auch in wesentlichem Masse die Verantwortung, dass soviel wertvolle Zeit von Amateurerfindern verloren geht.

Dies wird nicht geschrieben, weil etwa für die neuen Instrumente vermehrte Kenntnisse in der Instrumentenkunde unbedingt nötig sind, denn es ist eigentlich gerade umgekehrt. Früher waren die Instrumente unzweckmässig und deren Kenntnis vielfach mangelhaft; heute bekommt man gute Instrumente und man wird auch bei etwas mangelhafter Instrumentenkunde ein bedeutend besseres Minimum erhalten, als früher. Die Instrumente werden aber nicht deswegen so sorgfältig ausgebaut, damit man mit ihnen ein anständiges Minimum erhält, sondern damit man an der Messung Freude bekommt und sich die geringe Mühe nimmt, mit seinem Instrument so vertraut zu werden, dass man ein der persönlichen Veranlagung angemessenes Maximum in bezug auf Genauigkeit bei geringstem Zeitaufwand erzielt.

Baden, den 1. März 1939.

Heinrich Wild

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